Bis vor wenigen Wochen konnten die meisten nicht sehr viel mit der Ukraine anfangen. Selbst meine Schwiegermutter verwechselte sie immer mit Weißrussland, wenn sie anderen Leuten erzählte, woher mein Vater kommt. Ja genau, ich bin Halb-Ukrainerin. Allerdings fühle ich mich leider so ukrainisch wie amerikanisch – gar nicht. Warum ist das so?
Ich habe ukrainisches Blut in mir. Doch ich bin in Deutschland geboren. Ich bin mit sowjetischen Bräuchen aufgewachsen. Zweisprachig. Kann fließend Russisch sprechen. Liebe Matrojschkas und Pelmeni. Doch das hat alles nichts speziell mit der Ukraine zu tun. Ich war einmal dort. Mit einem Jahr. Die Erinnerung daran ist natürlich nicht vorhanden, auch wenn mein Vater darüber immer wieder erstaunt ist. Doch was ist die Ukraine, was macht sie aus? Das habe ich auch nicht gelernt, als ich auf der ITB am Stand der Ukraine gearbeitet habe. Das kann man nur vor Ort lernen. Dieses Jahr will ich endlich aufhören, Ausreden zu finden. Keine Zeit, kein Geld. Das Leben ist zu kurz für Ausreden.
Meine neue Ausrede war: Es ist gerade zu gefährlich. Doch meine Cousine Katja schrieb mir, dass das nicht stimmt. Es ist nicht gefährlich dort, das denkt man nur. Und die Schießerei ist auch vorbei. Und mal so nebenbei: Als ich letzte Woche an der U-Bahn am Alexanderplatz stand, plötzlich alles voll Polizei war und die Durchsage kam: “Bitte verlassen sie sofort den Bahnsteig!”, war ich genauso sicher wie in der Ukraine. Man ist nirgends sicher.
Nicht einmal mein Freund weiß, dass ich diesen Sommer in die Ukraine fahren werde. Ich selbst weiß es erst seit wenigen Minuten. Doch wenn ich diesen Text veröffentliche, muss ich es tun. Ihr seid meine Zeugen. Und ich nehme euch mit. Ich werde allein fahren (Update: Ich werde mit meinem Vater fahren), mit dem Bus. Schon allein das ist ein Abenteuer. Ich werde bei meiner Cousine Katja in Kiew wohnen, ihre Welt kennenlernen. Ich werde Verwandte wieder sehen, die ich seit 20 Jahren nicht gesehen habe. Ich werde Verwandte kennenlernen, die ich nicht einmal vom Foto kenne. Ich werde das Grab meiner Oma besuchen. Es wird mein Abenteuer 2014.