Muttertag. Diesen Begriff habe ich in meinem bisherigen Leben immer damit verbunden, dass ich mir etwas für meine Mutter überlegen sollte. Eine zeitlang übte das sogar einen gewissen Druck auf mich aus, in den letzten Jahren hat es mir jedoch immer Spaß gemacht. Seit etwa 11 Jahren überlege ich mir außerdem noch etwas für meine Schwiegermutter, das ich dann Stefan vorschlage. Doch in diesem Jahr wird diesem mir sehr vertrauten Tag eine ganz neue Facette hinzugefügt. Ich bin nun tatsächlich selbst Mutter. Und obwohl ich Tag und Nacht mit diesem verrückten kleinen Babymädchen beschäftigt bin, kann ich es immer noch nicht fassen, dass ich tatsächlich eine Mutter bin.
Eine Mutter, das war früher in meinen Augen immer eine Person, die erwachsen ist. So richtig erwachsen. Wenn man die komplette Verantwortung für einen anderen Menschen übernimmt, muss man doch schließlich so richtig erwachsen sein, oder? Das war auch der Grund dafür, dass ich mich lange noch nicht bereit fühlte für ein Kind. Ich wartete auf diesen Moment, in dem ich mich so richtig erwachsen und irgendwie mutter-mäßig fühle. Und auch wenn man immer und immer wieder gesagt bekommt, dass es den richtigen Zeitpunkt für ein Kind nicht gibt, wartet man trotzdem darauf.
Dabei ist es nicht gerade so, als hätten Stefan und ich vor Marlena ein wildes Partyleben ohne jegliche Verantwortung gelebt. Eigentlich sind wir schon seit Jahren Spießer, ohne das geringste schlechte Gewissen dabei. Wohnen seit über 10 Jahren zusammen, haben seit 5 Jahren einen Hund, haben beide eine Selbständigkeit aufgebaut, die gut funktioniert, und abgesehen von unseren Pflanzen muss niemand unter einem fehlenden Verantwortungsgefühl leiden. Doch vor dem Thema Kinder hatte ich einfach einen Heidenrespekt. Man weiß einfach so gar nicht, was einen erwartet. Sieht die anderen Eltern, teilweise überfordert und gestresst, und denkt sich: “Ich warte dann mal noch ein oder zwei Jahre.”
Doch nun bin ich Mutter. Es ist einfach so passiert. Ungeplant. Und so kitschig es klingt: Es war das Beste, was mir hätte passieren können. Natürlich ist es so, dass die Schwangerschaft meinen Körper verändert, mein Leben sich gewandelt, die Prioritäten verschoben haben. Das Leben mit Kind ist nicht mehr das Gleiche wie vorher. Es ist schöner. Es ist wirklich so, wie es einem vorher alle sagen. Man bekommt so viel zurück. Ich kann mir in meinem Leben nichts Erfüllenderes vorstellen, als dieses kleine Babymädchen aufwachsen zu sehen und sie dabei zu begleiten.
Doch wisst ihr was? Ich fühle mich immer noch nicht so richtig erwachsen. Ich fühle mich immer noch wie vorher. Komplett. Es ist einfach nur so, als hätte ich eine neue Superkraft dazubekommen. Vom Tag der Geburt an und jeden Tag ein Stück mehr. Einiges wusste ich einfach instinktiv, vieles habe ich gelernt. Auch, dass ich nicht richtig erwachsen und schon gar nicht perfekt sein muss, um eine gute Mutter zu sein. Dass es meistens einfach reicht, da zu sein. Und manchmal muss ich nicht einmal das. Denn auch ich darf mir Freiräume nehmen und das Leben weiterführen, das ich vor Marlena gelebt habe. Weil auch Papa oder Oma oder andere Menschen für Marlena da sein können. Sie mit genauso viel Spaß und Liebe füttern, mit ihr spielen und Quatsch machen. Sie in den Schlaf singen. Und wenn ich dann wiederkomme und sie mich erkennt, ist das Strahlen in ihrem Gesicht das größte Muttertagsgeschenk auf der Welt. Das Strahlen, in dem die Augen verschwinden und zu kleinen Schlitzen werden. Das Strahlen, das ich sehr gut kenne. Von Bildern und aus dem Spiegel. Von mir.